Das Leuchtturmprojekt COOPERANTS – Collaborative Processes and Services für Aeronautics and Space – hat als internationales Konsortium effizientere dezentralen Formen für zukünftige Arbeitsmethoden und Prozesse für Raum- und Luftfahrzeuge zu erarbeiten. Durch diese Initiative wird die Luft- und Raumfahrtindustrie die gemeinsame Nutzung von Daten effizienter gestalten, Kosten und Risiken senken und den Zugang zu innovativen digitalen Diensten erleichtern.
Unser digitaler Marktplatz für die Domäne Luft- und Raumfahrt ist nun auf der OVHcloud unter https://cooperants.pontus-x.eu/ erreichbar und kann als Kollaborationsrahmen für zukünftige Projekte genutzt werden. Schauen Sie doch gerne auch hier vorbei: Gaia-X-Leuchtturmprojekt. Auf den beiden Websites können Sie die Entwicklung des Projektes weiter verfolgen, weiterführende Informationen finden und nachlesen und erfahren, was COOPERANTS mit Gaia-X zu tun hat.
ATHENA als fertigungstechnischer Anwendungsfall
Im COOPERANTS-Projekt dient ATEHNA als zentraler fertigungstechnischer Anwendungsfall, um die Zukunft der digitalen Kollaboration zu erforschen. Ein zentraler Aspekt ist die Synchronisierung von Design und Manufacturing. In diesem Beitrag haben wir das Projekt hier auf unserem Blog kurz vorgestellt.
Kurz gesagt geht es darum, das Bauteil maßzuschneidern, während es hergestellt wird. Genutzt wird dabei der zerstörende Charakter des Prüfverfahrens. Allerdings wird ausschließlich die Umgebung des zu prüfenden Bereiches zerstört und dabei werden die Ergebnisse dieser Messungen zur Entwicklung eines belastungsgerechten Designs herangezogen. Im Detail geht es um die ortsdiskrete Beschreibung von Prozess-Gefüge-Eigenschaftsbeziehungen durch den digitalen Zwilling.
Für die erfolgreiche Implementierung des modellbasierten Ansatzes müssen einige Herausforderungen überwunden werden, darunter die Reduzierung Komplexität des Modells durch geeignete Methoden zur Modellordnungsreduktion, die Notwendigkeit einer effektiven interdisziplinären Zusammenarbeit, die nahtlose Datenintegration entlang der gesamten Fertigung und der digitalen Prozesskette (CAx), ein robustes Änderungsmanagement sowie gezielte Schulungsmaßnahmen und die Förderung der Akzeptanz innerhalb des Teams.
Damit wird ein klarer Mehrwert durch Digitalisierung demonstriert. Dies ist eine speziell entwickelte Umsetzung des „Seamless Data Cycles“, der erstmals im Jahr 2018 von der ESA präsentiert wurde.
Worldwide Advanced Manufacturing Symposium 2024
Das Worldwide Advanced Manufacturing Symposium 2024 ist eine von ESA und NASA co-organisierte Veranstaltung, die Forschende und Industrieexperten aus der ganzen Welt zusammenbringt, um sich über die neuesten Fortschritte und Trends der Fertigungstechnik auszutauschen. Die rund 500 Teilnehmer trafen sich im amerikanischen Orlando um innovative Lösungen, aktuelle Forschungsergebnisse und bewährte Praktiken auf Gebieten wie additiver Fertigung, Robotik, künstlicher Intelligenz, Werkstoffwissenschaften vorzustellen.
Dabei setzt die Raumfahrtindustrie zunehmend auf Digitalisierung (Space Manufacturing Technology Report Dezember 2023), die erst kürzlich auf Platz 4. der Liste neuer und aufkommender Weltraumfertigungstechnologien gewählt wurde. In dem von der NASA, dem Department of Defense und dem Department of Commerce verfassten Report heißt es:
„Fast alle modernen Fertigungsabläufe, Geräte und Infrastrukturen sind in gewissem Maße computerisiert. Intelligente Fertigungssysteme nutzen fortgeschrittene Technologien wie das Internet der Dinge, künstliche Intelligenz, virtuelle Realität und digitale Zwillinge, um physische Arbeit durch digitale Methoden zu ersetzen. Dies dient dazu, Fertigungsprozesse zu informieren, zu optimieren und zu automatisieren.“
Für das Fraunhofer IWU ergeben sich dadurch zukünftig große Schnittmengen. Einerseits sind Themen wie digitale Produktionssysteme, digitale Zwillinge und Industrie 4.0 fachlich exzellent besetzt. Hier lesen Sie dazu über Projekte, die bereits realisiert wurden. Andererseits steht das vorhandene Know-how, das beispielsweise in der Automobilindustrie seit Jahrzehnten erfolgreich erworben wurde, für den Transfer in die Raumfahrt bereit. Parallel dazu öffnet sich die Raumfahrt zunehmend unter dem Druck privatwirtschaftlicher Akteure für Interdisziplinäre Zusammenarbeit, Technologietransfer und internationale Kooperation.
Dieser Wandel zeigt sich nicht zuletzt in den Konferenzbeteiligungen. Bei der Auftaktkonferenz im Jahr 2022 in Noordwijk, Niederlande, haben wir mit einem Vortrag zu unserem ATHENA-Projekt an der einzigen Session zum Thema Digitalisierung teilgenommen. Zwei Jahre später konnten wir mit Stolz feststellen, dass wir mit drei Vorträgen nicht nur die meisten Beiträge aller Fraunhofer Institute beigesteuert haben, sondern auch in allen relevanten Digitalisierungssessions präsent waren.
Unsere Projekte auf dem Symposium
Neben der Vorstellung der Projekte COOPERANTS und Athena betonte unser dritter Beitrag unsere Rolle als Leitinstitut für ressourceneffiziente Produktion. Dabei haben wir einen innovativen Ansatz für ein Trennverfahren vorgestellt. Dieses Verfahren basiert auf dem abrasiven Wasserstrahlschneiden und kann potenziell auf dem Mond angewendet werden. Thematisch gehört diese Idee zum Forschungsfeld der „in situ resource utilization (ISRU)“, da wir Wasser als Transportmedium und Mondregolith-Simulat als Abrasivmittel einsetzen. Beide Ressourcen sind auf dem Mond verfügbar und könnten somit zur Einsparung von Transportmasse beitragen. Mit diesem Beitrag befinden wir uns allerdings noch in den frühen Stadien der Technologieentwicklung, konnten jedoch durch unsere kreative Idee überzeugen.
Aus persönlicher Sicht bereitete es mir große Freude, John Vickers (links) von der NASA kennenzulernen, der als Begründer des Konzepts des „digitalen Zwillings“ gilt. Seine wegweisenden Beiträge zur Entwicklung und Anwendung von digitalen Zwillingsmodellen für Weltraummissionen haben nicht nur die Raumfahrtindustrie vorangebracht, sondern auch ein tieferes Verständnis für die Nutzung dieser innovativen Technologie in verschiedenen Bereichen gefördert. Dies geschah im Jahr 2002, als ich noch keine Verbindung zu diesen Themen hatte, die jedoch heute einen bedeutenden Teil meines beruflichen Alltags ausmachen.
Für Rückfragen und Anmerkungen steht Ihnen unser Kollege Herr André Seidel gerne via Mail zu Verfügung: andre.seidel@iwu.fraunhofer.de.
Headerbild: © esa & NASA